Offener Brief an Bundesgesundheitsminister Rösler

Referentenentwurf einer Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Zahnärzte (Stand 24.03.2011)
Offener Brief an das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zum Referentenentwurf für eine „neue“ GOZ
Germering, den 04.04.2011



Sehr geehrter Herr Gesundheitsminister Dr. Philipp Rösler,

nun liegt er also vor, der lange erwartete Referentenentwurf für eine „neue“ GOZ, die am 01.01.2012 in Kraft treten soll. Diese „neue“ GOZ soll die seit nunmehr mehr als 23 Jahren unveränderte und unangepasste GOZ von 1988 ablösen, die wiederum damals „volumenneutral“ (d.h. mit Absenkung von davor bereits beschriebenen Leistungen und Einfügen von damals „neuen“ Leistungen) die BUGO-Z von 1965 ablöste.

Zunächst zur Systematik der GOZ:
- Der Punktwert der GOZ ist für die wirtschaftliche Entwicklung gedacht und sollte jährlich derselben angepasst werden. Diese Indexierung findet sich z.B. in § 12 Abs. 2 der Bundestierärzteordnung GOT. Warum fehlt diese conditio sine qua non in der GOZ ?
- Die Punktzahlen der einzelnen Leistungen sollen die Bewertungsrelation der einzelnen Leistungen
untereinander wiedergeben.
- Der Steigerungsfaktor ist für das Bemessen, d.h. das billige Ermessen, der einzelnen Leistung nach Schwierigkeit, Zeitaufwand und Umstände gedacht.

Ferner gilt es, den § 15 des Zahnheilkundegesetzes zu beachten:
„Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Entgelte für zahnärztliche Tätigkeit in einer Gebührenordnung zu regeln. In dieser Gebührenordnung sind Mindest- und Höchstsätze für die zahnärztlichen Leistungen festzusetzen. Dabei ist den berechtigten Interessen der Zahnärzte
und der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten Rechnung zu tragen.“

Punktwert, Punktzahl und zur Verfügung gestellter Gebührenrahmen sind daher zwingend so zu gestalten, dass eine einfache Behandlung auch unter betriebswirtlichen Aspekten mit dem 1,0-fachen Steigerungssatz bemessen werden kann, eine durchschnittlich schwierige mit dem 2,3-fachen Steigerungssatz, eine schwierige mit dem 3,5-fachen Steigerungssatz. Die abweichende Vereinbarung wäre dann nur in einzelnen Behandlungsfällen notwendig. Der Gebührenrahmen muss für jeden Behandler, an jedem Praxisort und für die Behandlung eines jeden Patienten anwendbar sein.

Insofern ist der vorgelegte Referentenentwurf daher nicht geeignet, die vorgenannten Parameter zu erfüllen:

1) Die Verbraucherpreise sind von 1988 bis 2011 weiter über 60% gestiegen, was bedeutet, dass der Punktwert einer „neuen“ GOZ in gleicher Weise anzuheben ist. Diese Notwendigkeit findet sich nunmehr sogar in der Begründung des jetzigen Referentenentwurfes (S. 17) zu den Änderungen in § 8 GOZ (Wegegeld und Reiseentschädigungen):
„ Die Beträge werden entsprechend der Kostensteigerung seit 1996 (lnkrafttreten der letzten GOA-Novellierung bis zum lnkrafttreten der neuen GOZ) angepasst. Die Erhöhung des Kostenanteils orientiert sich an den Angaben des Statistischen Bundesamtes zum Verbraucher-preisindex im Bereich Waren und Dienstleistungen für Privatfahrzeuge. Die Erhöhung des Aufwandsanteils entspricht der allgemeinen mit dieser Verordnung vorgesehenen Honorarsteigerung.“ So ist eine Anhebung der Wegstreckenentschädigung bei Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeuges von 26 Cent (OZ 1988) für jeden zurückgelegten Kilometer auf 42 Cent (GOZ 2012) geplant, das ist eine Anpassung um 61,5 Prozent ! Warum erfolgt diese offenbar unstrittig notwendige Anpassung nicht beim Punktwert ?

2) Der Punktwert soll gemäß dem vorgelegten Referentenentwurf unverändert bei 5,62421 Cent bleiben, ausserdem sollen die Punktzahlen von weit mehr als 60% der Leistungen unverändert bleiben. Als „Ausgleich“ dafür sollen gemäß einem nicht nachvollziehbarem Vorschlag der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), so Seite 9 der Begründung des jetzigen Referentenentwurfes, die Punktzahlen einiger häufig erbrachten Leistungen angehoben werden. Dieser Tausch "Punktzahl gegen Punktwert" ist völlig systemwidrig. Jede Leistung braucht für sich einen komplett nutzbaren Gebührenrahmen. Der jetzige Vorschlag schreibt die bestehende Situation fort, dass eine Vielzahl von Leistungen in dem für gesetzlich versicherte Patienten (z.B. AOK, Knappschaft, Sozialhilfeempfänger etc.) relevanten BEMA deutlich besser honoriert werden als mit dem 2,3-fachen Steigerungssatz der GOZ. Ich hoffe, dass dann 2012 auch folgende Begründung für Steigerungsfaktoren über 2,3 allgemeine Akzeptanz findet: „Die Wahl des Steigerungsfaktors entspricht den Umständen der aktuellen Praxiskosten und ist zwingend erforderlich, um zumindest dasselbe Honorar wie beim gesetzlich versicherten AOK-Patienten zu erzielen und auch die gleiche Behandlungszeit und Qualität für die Leistung zu Verfügung stellen zu können.“

3) Der vorgelegte Referentenentwurf schreibt den Inhalt des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts aus 2004 nicht nur fort, sondern dieser ist sogar noch um die seither stattgefundene Kostensteigerung zu berichtigen:
„Zwar ist dem Beschwerdeführer zuzugeben, dass die Gebührenmarge bei Zahnärzten besonders schmal ist. Für überdurchschnittliche Fälle steht nur der Rahmen zwischen 2,4 und 3,5 zur Verfügung, weil ein Absinken unter die Honorierung, die auch die gesetzliche Krankenversicherung zur Verfügung stellt (nämlich den 2,3-fachen Satz), wohl kaum noch als angemessen zu bezeichnen ist. Die im Regelfall nur schmale Marge schadet jedoch nicht, weil der Zahnarzt gemäß § 2 GOZ eine abweichende Vereinbarung treffen kann. Sie ist dem Gesetzeswortlaut nach materiell an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft.“ Der tatsächlich nutzbare Gebührenrahmen der so neu geplanten GOZ ist daher noch schmaler als in 2004 allgemein anerkannt.

4) In § 4 Abs. 3 des vorgelegten Referentenentwurfes steht: „Mit den Gebühren sind die Praxiskosten einschließlich der Kosten für Füllungsmaterial, für den Sprechstundenbedarf, für die Anwendung von Instrumenten und Apparaten sowie für Lagerhaltung abgegolten, soweit nicht im Gebührenverzeichnis etwas anderes bestimmt ist.“
Lagerhaltungskosten bzw. Aufschläge auf den Einkaufspreis von weitergebenen bzw. verwendeten Materialien und Teilen werden in allen Bereichen des täglichen Lebens berechnet. Warum diese explizit der Berufsgruppe der Zahnärzte nicht erlaubt sein soll, wirft die die Frage nach der Verfassungsgemäßheit dieser Regelung zwingend auf.

5) Der behauptete „Honorarvolumensanstieg“ um 6% deckt einerseits weder die seit 1988 stattgefundene Kostenentwicklung noch ist er schlüssig berechnet. Die Einbeziehung der nunmehr hinzugekommenen „neuen“ Leistungen in das Honorarvolumen und dessen Anstieg ist fehlerhaft, da diese Leistungen bis dato analog berechnet wurden und bereits Teil des jetzigen Honorarvolumens sind. Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass Ihre sozialistisch geprägte Vorgängerin im Bundesgesundheitsministerium beim letzten Referentenentwurf für eine „neue“ GOZ immerhin einen Anstieg des Honorarvolumens um 10% ausgelobt hat.

Zusammengefasst kann gesagt werden, dass der vorgelegte Entwurf als neue GOZ nicht sachgerecht ist und verfassungsrechtlich bedenklich ist. Er gehört dringend in den Grundlagen überarbeitet, damit er eine Zukunftstauglichkeit und Nachhaltigkeit entfalten kann. Eine zuerst einzuführende klarere Trennung von Liquidation und Erstattung, z.B. mit Festzuschüssen, die sich beim Zahnersatz in der GKV bestens bewährt haben, auch in den Beihilferichtlinien würde die Einführung einer neuen GOZ erleichtern, die inhaltlich dem § 15 Zahnheilkundegesetz entspricht.

Ich verbleibe mit allerbesten Grüßen und würde mich über einen inhaltlichen Diskurs freuen.

Dr. Peter Klotz, Germering