Mehr Transparenz und Mitbestimmung bei Gesetzgebungsverfahren

Das Wettbewerbsstärkungsgesetz im SGB V wurde mit einer "hau ruck" Methode im Bundestag verabschiedet. Markant ist dabei, dass den Abgeordneten keine vier Stunden zur Verfügung standen, die letzten Textänderungen zu prüfen. Vielmehr hatten die Regierungsparteien ihre Abgeordneten anscheinend nur oberflächlich und über die akzeptablen Passagen des Gesetzes informiert. Ein gewisses Maß an Fraktionszwang ist aus dem Abstimmungsverhalten der Regierungsparteimitglieder herauslesbar.


Es stellt sich die Frage, ob unter diesen Kautelen eine Abstimmung im Bundestag noch verfassungskonform ist oder nicht. Grundlage für eine gute Information ist ein gut les- und vergleichbarer Text. Dieser stand offensichtlich nicht zur Verfügung. Auch der betroffene Bürger war nicht in der Lage die Gesetzestextvorschläge nachzuvollziehen. Den Mitgliedern der AFZ ist es deshalb ein hohes Anliegen, dass in Zukunft die Gesetzesänderungen in Form einer Synopse im Internet zur Verfügung gestellt werden.
Auf Anfrage bei der Patientenbeauftragten Frau MdB Kühn-Mengel erfolgte seit mehr als 8 Wochen keine Antwort.
Als Vorsitzender habe ich mich an das Bundespräsidialamt gewandt. Vielleicht ist dort etwas zu erfahren und zu verbessern.

Offener Brief

Transparenz in Gesetzgebungsverfahren


Sehr geehrter Herr Bundespräsident Horst Köhler,

als ehemaliger Vorsitzender der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung bin ich immer noch an den gesetzlichen Fortentwicklungen im Gesundheitswesen interessiert und vertrete als Vorsitzender mehrere hundert Zahnärzte aus Süddeutschland.

Es war praktisch nicht möglich, die Änderungen der Gesetzestexte in der dargebotenen Form kritisch zu begleiten, da die bruchstückhaften Ergänzungen und Streichungen des Gesetzestextes am Beispiel des GKV-WSG, sowohl für Abgeordnete als auch für interessierte Bürger nicht wirklich nachverfolgbar waren.

Ich denke, dass kaum mehr als 10% der Abgeordneten den Text mit seinen Änderungen wirklich gelesen und nachvollzogen haben. Wie soll also der Abgeordnete sich ein Bild über die Gesetzesänderung machen, um dann bewusst, allein seinem Gewissen verantwortlich, abstimmen zu können? Das Abstimmungsverhalten hat auch mehr einen Fraktionszwang vermuten lassen, als eine selbstkritische Stimmabgabe!

In einer Zeit der elektronischen Medien ist es ein Leichtes, solche gravierenden Gesetzesänderungen in Form einer Synopse darzustellen, in der die Änderungen leicht erkennbar gefettet widergegeben werden und so von jedem Bürger und Abgeordneten verstanden werden können.

Ich erwarte, dass die Transparenz, die man den Ärzten abfordert, gleichermaßen Anwendung im Gesetzgebungsverfahren findet.

Ich bitte Sie, sich dafür einzusetzen, dass die Gesetzestexte im Laufe eines Verfahrens für die Abgeordneten und für die interessierte Bevölkerung in Form einer Synopse begleitet werden und dass im Anschluss der gültig geänderte Text in lesbarer Form nach der Verabschiedung der Bevölkerung in den entsprechenden Internetmedien kostenlos zur Verfügung gestellt wird.

Ich werde den Verdacht nicht los, dass diese derzeitige Darstellung der Gesetzestexte eine bewusste Verschleierungstaktik ist, um die Tücken eines Gesetzes nicht so offensichtlich werden zu lassen.

Ich vertrete die Auffassung, dass die Verabschiedung dieses GKV-WSG nicht nach den grundrechtlichen Kriterien zustande gekommen ist, da sie in Unkenntnis der realen Inhalte für die Mehrheit des Bundestages erfolgte.

Für die Bevölkerung ist dieses Gesetz kein Gewinn sondern der unwiderstehliche Gang in Richtung Staatsmedizin, die in der DDR so „erfolgreich“ war und uns unter anderem nun schon 13 Jahre Risikostrukturausgleichszahlungen auch innerhalb der budgetierten Medizin kostet. Zwischenzeitlich schlittern bei uns im Süden immer mehr Praxen in Richtung Insolvenz. Die Selbständigkeit in der ambulanten Zahn-/Medizin, die sich seit Jahrzehnten bewährt hat, wird durch dieses Gesetz systematisch vernichtet. Wollen wir wirklich diesen bewährten Weg verlassen?

Ich bitte Sie nochmals, sorgen Sie dafür, dass die Abgeordneten lesen können, worüber sie abstimmen, sonst wird eine repräsentative Demokratie zur Farce. Wir Betroffene kommen uns sowieso nur noch verschaukelt vor.

Ich verstehe jeden jungen Arzt oder Zahnarzt, der unser Land verlässt, da die politische und finanzielle Anerkennung seiner Leistung im Dienste des Patienten durch Seehofer und Schmidt systematisch zerstört und durch falsche Neidkampagnen geschürt worden ist. Die Propaganda der Kassen für ausländischen Zahnersatz und die Inanspruchnahme der ausländischen Leistungen ruiniert nicht nur den Berufsstand der Zahntechniker sondern lässt uns zu Zahnflickern verkommen. Gute Zahnheilkunde scheitert meist an den hohen finanziellen Beteiligungen der Patienten. Sozial ist diese Versorgung nicht mehr und der ehrliche Zahnarzt ruiniert sich betriebswirtschaftlich selbst.

Gerade deshalb ist es wichtig in Verantwortung für die Patienten bei Gesetzesänderungen die Inhalte deutlich zu machen und nicht zu verschleiern, wie es im BMG üblich zu sein scheint. Vergessen wir nicht, dass die Gesundheitsministerin einmal für die kommunistische Partei kandidiert hat und das Gesundheitswesen der DDR für nicht “so schlecht“ bezeichnete.

Ich hoffe, Sie helfen uns bei der Bekämpfung unserer Staatsverdrossenheit, für mehr Rechte der Zwangsversicherten, für mehr Transparenz in den Gesetzgebungsverfahren und für einen massiven Abbau der Bürokratie im Gesundheitswesen.

Mit freundlichen Grüssen

Dr. Rolf-Jürgen Löffler